Franz Schubert (German Edition) by Hans-Joachim Hinrichsen

Franz Schubert (German Edition) by Hans-Joachim Hinrichsen

Autor:Hans-Joachim Hinrichsen [Hinrichsen, Hans-Joachim]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406621369
Herausgeber: C. H. Beck
veröffentlicht: 2014-09-21T04:00:00+00:00


Bühnenerfolge und gescheiterte Hoffnungen

Das Attribut des «Heroischen» wie des «Romantischen» tragen die beiden groß geplanten Werke, das abgelehnte und das offiziell bestellte, gleichermaßen im Untertitel. Für Alfonso und Estrella D 732 ist diese Gattungsbezeichnung durch den Werkkatalog in Leopold Sonnleithners Schubert-Nekrolog, für Fierabras D 796 durch das der Zensurbehörde vorgelegte Libretto-Exemplar bezeugt. Dass der Komponist damit freilich keineswegs die Absicht einer typologischen Definition verbunden haben kann, zeigt sich schon an der formalen Verschiedenheit beider Werke, in denen auf je unterschiedliche Weise französische, italienische und deutsche Gattungsmerkmale zu ganz eigenen Konzeptionen verschmelzen. Wahrscheinlich bezieht sich die Charakteristik wohl auf das in beiden Fällen im höfischen Milieu des Mittelalters angesiedelte Sujet, in dem sich ritterliche Abenteuer mit Kampf und Liebe mischen und für das jeweils diverse belletristische Vorlagen auszumachen sind. Ritterromantik war die große literarische Mode der Zeit. Beide Textbücher stammen von Freunden Schuberts (Schober und Kupelwieser), aber nur im zweiten Fall verfügte der Autor tatsächlich über die nötigen Beziehungen, um dem Werk auch wirklich auf die Bühne zu verhelfen.

Trotz seiner Ambition auf die «große» Oper verfolgt Schubert mit Alfonso und Estrella noch eher einen Mittelweg zwischen der sentimentalen Idylle des Singspiels und dem Handlungsmuster der heroischen Ritteroper; damit zeigt das Werk die Erweiterung von Schuberts Opernästhetik als mühsam erarbeiteten Wandel auf. Dieser Mittelweg erweist sich durchaus als Schwäche des dramaturgischen Konzepts, und dafür ist angesichts der engen Zusammenarbeit nicht der Librettist allein verantwortlich zu machen. Denn diese erste große Oper Schuberts, deren Textbuch sein naher Freund Franz von Schober schrieb, stellt das Resultat einer echten Künstler-Kooperation dar, für die sich Komponist und Textdichter zeitweilig sogar in eine Arbeitsklausur nach Sankt Pölten zurückgezogen haben. Die eigentliche Komposition erstreckte sich, mit jeweils nur knappem Vorlauf der fast gleichzeitig entstehenden Textdichtung, über den Zeitraum von September 1821 bis Februar 1822, und sie ist, so erinnerte sich Schober Jahrzehnte später, «in sehr glücklicher Schwärmerei, aber in sehr großer Unschuld des Herzens und des Geistes» – das heißt also: praktisch ohne jede Erfahrung in diesem Metier – konzipiert worden (Erinn., 485). In formaler Hinsicht allerdings weist das Werk eine bemerkenswerte Innovation auf: Es ist, für eine deutschsprachige Oper dieser Zeit noch immer vergleichsweise ungewöhnlich, frei von den beim Singspiel üblichen gesprochenen Dialogen, und die an ihre Stelle tretenden rezitativischen Partien sind, anders als in der italienischen Oper, auch keine lediglich vom Generalbass begleiteten Secco-Rezitative, sondern aufwändig orchestral auskomponierte Accompagnati. Damit steht Schuberts Werk, wenngleich von der Öffentlichkeit unbemerkt geblieben, konzeptionell auf derselben ambitionierten Linie der «durchkomponierten» deutschen Oper, die erst kurze Zeit danach mit Louis Spohrs Jessonda oder Carl Maria von Webers Euryanthe ihre ersten über einen längeren Zeitraum erfolgreichen Gattungsexemplare hervorgebracht hat.

Was bei der Ablehnung des ohnehin ja nicht bestellten Werks durch das Kärntnertortheater den Ausschlag gegeben haben mag, hängt von der – nachträglich schwer einschätzbaren – Intensität der Prüfung ab. Gewisse dramaturgische Schwächen des Werks sind tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Erstens wird das handlungsauslösende Konfliktpotential, der Treuebruch des Feldherrn Adolfo, im Verlauf des Werkes viel zu spät exponiert; vorher geht es



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